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Risikomanagement im öffentlichen Sektor

Via Risknet • Dr. Gerrit Jan van den Brink/ Dr. Christian Jansen
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Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht in einem Zeitungsbericht über die schmerzhaften Folgen eines Risikoeintritts im öffentlichen Sektor berichtet wird.

Prominente Beispiele sind der Berliner Flughafen BER, das Prestigeobjekt Elbphilarmonie in der Hamburger Hafencity, das Bahnprojekt Stuttgart 21, das Bundeswehr-Gewehr G36 und nicht zuletzt die schwerwiegenden Folgen der Fehlentscheidungen von Landesbanken. Hinzu kommen in jüngster Zeit vermehrt Risiken durch "Cyberattacken", wie die derzeit kritische Situation im Deutschen Bundestag aufzeigt.

Der Überblick mit ausgewählten Beispielen von Risikoereignissen im öffentlichen Sektor in der nachfolgenden Abbildung verdeutlicht: Alle Ebenen des öffentlichen Sektors sind Risiken unterschiedlichster Natur ausgesetzt. Die eine Kommune kämpft beispielsweise mit Liquiditätsrisiken. Die andere betreibt ein Schwimmbad, das sich zur Dauerlast für den Haushalt entwickelt hat. Oder es werden Verfahrensfehler gemacht, die weitreichende Konsequenzen haben können.

Risikoidentifikation als Schlüsselbegriff

 "Schwarze Schwäne kann man nicht vorhersehen" ist ein vielzitierter Satz wenn es darum geht, Strategien zur Vermeidung von Risiken zu entwickeln. Dies ist zwar grundsätzlich richtig, da auch Risikomanager nicht über hellseherische Fähigkeiten oder eine allwissende Kristallkugel verfügen. Sollte jedoch aus diesem Grund auf ein effizientes Risikomanagement gleich ganz und gar verzichtet werden? Um diese Frage zu beantworten, ist die genaue Identifikation möglicher Risiken hilfreich. Bei der Risikoidentifikation unterscheidet man zwischen vier unterschiedlichen Szenarien (siehe nachfolgende Abbildung 2).

 

Unkritisch ist die Identifikation der Risiken, die wir kennen ("things we know we know") – was selbstverständlich noch nicht heißt, dass sie auch richtig bewertet sind. In jenen Fällen, in denen Risiken aufgrund mangelnder Kenntnisse nicht identifiziert werden können ("We know there are some things, we do not know"), kann durch Hinzuziehen weiterer Sachverständiger Abhilfe geschaffen werden, die bei der Identifikation und Bewertung von Risiken helfen können. Im Fall des öffentlichen Sektors ließen sich beispielsweise in einer gemeinsamen Datenbank Risikoereignisse sammeln, um die fehlende Expertise einzelner öffentlicher Akteure auszugleichen. In Workshops und mit Hilfe von externen Daten lassen sich ebenfalls – zumindest teilweise – Risiken in jenen Situationen identifizieren, in denen Zusammenhänge fehlen oder vorhandene Informationen falsch interpretiert werden ("you don’t know you know").

Spannend bleiben jene Szenarien, die als "schwarze Schwäne" umschrieben werden und die in Abbildung 2 im rechten oberen Quadranten zusammengefasst sind ("the ones we don't know, we don't know"). Selbstverständlich kann auch hier der Austausch mit anderen Experten dazu führen, dass gewisse Risiken eingegrenzt werden können. Es bleiben jedoch bestimmte Bereiche ungeklärt, in die man auch gemeinsam nicht vordringt. Hätte man beispielsweise vor zwanzig Jahren Experten dazu befragt, ob ein terroristischer Anschlag wie 2010 in New York als mögliches Risikoereignis betrachtet werden sollte, wäre die Antwort der Experten wahrscheinlich negativ ausgefallen. Es ist folglich eine wichtige Aufgabe des Risikomanagements, diese Situationen so gering wie möglich zu halten.

 Gleicht man die eingangs besprochenen Risiken im öffentlichen Sektor mit den unterschiedlichen Szenarien der Risikoidentifikation ab, fällt auf, dass die meisten Risikoereignisse nicht dem oberen rechten Quadranten zuzuordnen sind und mit Unterstützung von geeigneten Methoden beispielsweise Expertenwissen unter Umständen sogar vermeidbar gewesen wären. Die Schlussfolgerung liegt auf der Hand: Kommunen und anderen Körperschaften des öffentlichen Rechts haben einen erheblichen Nachholbedarf und können von einem soliden Risikomanagements immens profitieren.

Bild des Benutzers Kim Heinz
Kuratiert
am 29.06.2015 von
Kim Heinz