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Qualitative Evaluationsstudie: Risikomodellierung, Predictive Analytics und Big Data

Via risknet.de • Frank Romeike, Stefan Trummer • 19. Juni 2018
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Das Banken- und Versicherungsumfeld ist seit vielen Jahren im Umbruch. Dazu haben in nicht unerheblichem Maße die Aufsichtsbehörden und Standardsetter beigetragen. Wurden bis Mitte der 2000er interne Modelle stark von der Aufsicht forciert, haben die Regulatoren seit der Finanzmarktkrise eine Kehrtwende vollzogen. Die Regularien haben immer weiter zugenommen (BCBS 239, ILAAP, Revised ICAAP etc.) und sie sind deutlich restriktiver, wenn es beispielsweise darum geht, Kapital- oder Liquiditätsanforderungen mit institutsintern genutzten Risikomodellen zu quantifizieren.

Disruptive Geschäftsmodelle von FinTechs, sich veränderndes Kundenverhalten und die Niedrigzinspolitik der Zentralbanken setzen die etablierten Finanzinstitute ebenfalls unter Ertrags- und Kostendruck.

Die Digitalisierung mit neuen Analysemethoden, künstliche Intelligenz (KI) und disruptive Dienstleistungsmodelle stellen Banken und Versicherungen vor gewaltige Herausforderungen. Finanzdienstleister müssen den digitalen Wandel aktiv gestalten, um attraktiv zu bleiben. Vor allem etablierte Marktteilnehmer haben den digitalen Wandel lange verschlafen. Während Start-ups mit neuen Geschäftsmodellen (siehe FinTechs sowie InsureTechs) den Finanzdienstleistungsmarkt aufrollen, kämpfen Banken und Versicherer auf vielen Gebieten um den digitalen Anschluss.

Beispielsweise spricht der "Bankenreport Deutschland 2030" davon, dass der deutsche Bankenmarkt kurz vor einem großen Umbruch steht: "In 10-15 Jahren wird es statt heute 1.600 nur noch 150 bis 300 Banken in Deutschland geben, die nachhaltig erfolgreiche Geschäftsmodelle haben." [vgl. Oliver Wyman 2018 sowie ergänzend McMillan 2014 und McMillan 2018]. Gründe sehen die Studienmacher unter anderem in FinTechs, Marktinfrastrukturanbietern sowie globalen Technologiekonzernen, die auf den deutschen Bankenmarkt drängen.

Neue Lösungen brauchen neue Wege

Hinzu kommen neue Technologien und Innovationen – Big Data, Predictive Analytics und Machine Learning sind zu allgegenwärtigen buzzwords geworden – die den Finanzmarkt revolutionieren. Das Ziel des Einsatzes von Big-Data-Methoden und Datenanalysen liegt auf der Hand. Es geht um die Vermessung der Welt, der Kunden, dem Erstellen von Persönlichkeitsprofilen und der Voraussage in Echtzeit aus immer mehr Daten. Diese Analytics-Verfahren werden in immer mehr Unternehmen eingesetzt – auch bei Banken und Versicherern. Einer der Hauptgründe liegt darin, Zusammenhange zu erkennen, Prognosen abzuleiten und diese für Entscheidungen zu nutzen, am liebsten in Echtzeit [vgl. vertiefend Eicher/Romeike 2016].

Der Einsatz von Big Data und Artificial Intelligence (AI) Methoden, beispielsweise Machine Learning, werden neben dem Einsatz im Marketing durchaus bereits im Risikomanagement von Finanzdienstleistern eingesetzt. Diese Methoden besitzen das Potenzial, die Prognosegüte von Risikomodellen signifikant zu verbessern, insbesondere bei der Identifikation von nicht-linearen Zusammenhängen zwischen Risikofaktoren und Risikoereignissen. Unter anderem FinTechs haben mit dem Einsatz von Predictive Analytics und selbstlernenden Algorithmen bereits positive Erfahrungen gemacht, beispielsweise bei der Berücksichtigung von Online-Aktivitäten (PayPal Transaktionen, etc.) im Scoring im Rahmen von Kreditentscheidungsprozessen. Weitere aktuelle Einsatzgebiete dieser Algorithmen sind die Identifikation von Betrugsfällen (31 Prozent) oder die Analyse von Liquiditätsrisiken (26 Prozent) [vgl. Economist Intelligence Unit 2014]. Unterstützt werden diese methodischen Fortschritte durch die (Weiter-)Entwicklung von Technologien für verteiltes Prozessieren von Daten wie MapReduce oder Big-Data-Plattformen wie Hadoop oder Spark, die eine performante Verarbeitung von großen Datenmengen für maschinelles Lernen, Simulationsrechnungen oder "real time computing" überhaupt erst ermöglichen. Neben dieser horizontalen Skalierung werden mittlerweile High Performance-Architekturen durch den zunehmenden Einsatz von Graphic Processing Units (GPU) mit einer hohen vertikalen Skalierbarkeit erreicht [vgl. Cano 2018].

Für Bankhäuser bedeutet das, neue Wege im Umgang mit (digitalen) Technologien zu suchen. Und das auch vor dem Hintergrund steigender regulatorischer Anforderungen durch Basel III und Basel IV im Bankenumfeld sowie bei der Regulierung der Versicherungswirtschaft durch Solvency II. Die Tendenz: Es ist ein klarer Trend in Richtung nicht risikosensitiver Standardansätze durch die Regulierung zu beobachten. Auf diesem schmalen Grat zwischen technologischen Fortschritten sowie standardisierten versus individuellen Risikomanagementmethoden wandelt das Finanzumfeld. Zu dieser Erkenntnis kommt die Experten-Studie "Standardmodelle im Spannungsfeld von Risk Analytics und Big Data" des Software- und Beratungsunternehmens BearingPoint Software Solutions in Kooperation mit dem Kompetenzportal RiskNET. Für die Studie wurden verantwortliche Risikomanager (in der Regel Chief Risk Officer auf Vorstandsebene) aus dem Bankenumfeld, Professoren der Disziplinen Finanzmanagement, -mathematik, -wirtschaft und Financial Engineering sowie Institutsleiter im Bankenaufsichtsrechts- und Risikomanagementbereich befragt.

Sollten Risikomodelle eher standardisiert oder individualisiert werden? Welche neuen Methoden setzen Finanzdienstleister dafür ein und welche Rolle spielt der Reifegrad des Risikomanagements? Ergebnisse der Studie sowie den vollständigen Artikel finden Sie auf www.risknet.de

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Kuratiert
am 29.08.2018 von
Stefanie Frost

Für eine Studie des Software- und Beratungsunternehmens BearingPoint Software Solutions in Kooperation mit RiskNET wurden verantwortliche Risikomanager aus dem Bankenumfeld, Professoren der Disziplinen Finanzmanagement, -mathematik, -wirtschaft und Financial Engineering sowie Institutsleiter im Bankenaufsichtsrechts- und Risikomanagementbereich befragt. Die Ergebnisse werden in diesem Artikel zusammengefasst.